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S-Bahnbrücke Berlin

Neue Widerlager für S-Bahnbrücke in Berlin

Die Verwendung von Betonfertigteilen ist im Hochbau gängige Praxis. Damit soll vor allem die Bauzeit verkürzt werden. Im Eisenbahnbrückenbau kommen derartige Bauteile jedoch bisher eher selten zum Einsatz – vielleicht weil die Vorteile der Bauweise nicht ausreichend bekannt sind. Ein gutes Beispiel für eine technisch einwandfreie Sanierungsmaßnahme auf diesem Anwendungsgebiet zeigt eine im Jahre 2012 durchgeführte Erneuerungsmaßnahme an einer typischen Eisenbahnbrücke in Berlin.

Die Eisenbahnüberquerung „Krontaler Straße“ ist eine im Nordosten Berlins gelegene S-Bahn-Brücke. Sie ist Bestandteil der eingleisigen Verbindungskurve am Karower Kreuz zwischen den S-Bahngleisen der Stettiner Bahn und des Berliner Außenrings, welche 1984 in Betrieb ging. Heute wird die Strecke pro Tag von durchschnittlich 120 Zügen der S-Bahnlinie Grünau-Birkenwerder mit ca. 5000 Fahrgästen befahren. Die Bemessung der Brücke für das Lastbild DR (Überbau) beziehungsweise LM 71 (Unterbauten) erlaubt auch die Überfahrt von schwereren Bau- und Hilfszügen.

Risse erfordern Ersatzneubau der Widerlager

Die stählerne Trogbrücke mit Schottergleis und Randwegen überspannt die etwa 4 m breite Panke und eine schmale Stadtstraße. Die Stützweite beträgt 20 m, die Durchfahrtshöhe 3,4 m. An beiden Widerlagern hatten sich aufgrund von Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) und Ettringitbildung Rissschäden mit Breiten von bis zu 15 mm eingestellt. Aus diesem Grund forderten die Verantwortlichen im Jahre 2012 einen Ersatzneubau der Widerlager. Um die Auswirkungen des erforderlichen Schienenersatzverkehrs möglichst gering zu halten, wurde für die Realisierung eine 14-tägige Sperrpause während der Berliner Sommerferien festgelegt.

Dies bedeutete für die Projektleitung der DB Netz AG und für das mit der Planung beauftragte Ingenieurbüro Grassl eine forcierte Planung. Der Überbau war offensichtlich in einem guten baulichen Zustand, der die Weiterverwendung nach einer Instandsetzung erlaubte. Der Überbau musste zu Beginn der Sperrpause an einen Ort neben der Brücke ausgehoben und schließlich von dort aus wieder auf die neuen Widerlager abgesetzt werden.

Fertigteilbauweise ist technologisch der Ortbetonbauweise überlegen

Der entscheidende Entwurfsparameter für die Planung der Widerlager lag in der Herstellung innerhalb der vorgegebenen Sperrpause. Dadurch stand von Anfang an fest, dass nur Lösungen mit einer Vorfertigung der Widerlager möglich waren. In Frage kommende Herstellungsvarianten waren einerseits die Vorfertigung der Widerlager neben der Brücke als Ortbetonbauwerk mit anschließendem Querverschub in die Endlage, andererseits der Zusammenbau aus Stahlbetonfertigteilen mit Kranhilfe. Ein gründlicher Vergleich beider Varianten zeigte, dass in diesem Fall die Fertigteilbauweise technologisch der Ortbetonbauweise überlegen ist. Wichtiges Kriterium beim Vergleich spielte die Tatsache, dass bei der Bauweise mit Fertigteilen auf die Herstellung der Verschubbahnen und die damit verbundenen größeren und tieferen Baugruben mit Verbau längs der Straße und der mehrwöchigen Wasserhaltung mit Leitungsumlegungen verzichtet werden kann. Wegen des in jedem Fall erforderlichen Aushubs des Überbaus, konnte auch bei der Verschubvariante auf einen Kraneinsatz nicht verzichtet werden. Als Vorzugslösung entschieden sich die verantwortlichen Planer für eine Fertigteillösung. Hierbei wurden die Fundamentplatten auf ein leicht überhöhtes Mörtelbett abgesetzt. Die Widerlagerwände werden darauf aus horizontal orientierten quaderförmigen Elementen aufgestapelt. Da eine biegesteife Verbindung der Fertigteile montagetechnisch ungünstig ist, sollten sie als Schwergewichtswiderlger wirken. Die Flügel erhalten einen Querschnitt als Winkelstützwand und sind über Raumfugen abgetrennt. Statisch gesehen entstehen also keine Kastenwiderlager.

Planung nach Regelwerk

Die Bemessung und Konstruktion der Fertigteile richtete sich nach Kapitel IV des DIN-Fachberichts 102. Damit bewegt man sich für die Planung innerhalb des eingeführten Regelwerks. Zur Verringerung der längsgerichteten Lasten wurde das vorhandene Lagerungsystem mit Längsfesthaltung umgestellt auf schwimmende Lagerung. Der Nachweis der Schubkraftübertragung in den nicht verzahnten Vergussfugen konnte unter ausschließlichem Ansatz von Reibung für „sehr glatte Oberflächenbeschaffenheit“ geführt werden. Angestrebt war es, die Montagefugen der Widerlagerwand als unbewehrte Druckfugen auszubilden. Allerdings erforderte der durch den Überbau vorgegebene exzentrische Angriff der Auflagekräfte eine Einspannung der Widerlagerwand in der Fundamentplatte. Die schwache Einspannbewehrung wurde außerhalb der aufgehenden Widerlagerelemente angeordnet, durch eine verlorene Schalung aus Halbfertigteilen geschlossen und der Zwischenraum mit Vergussbeton gefüllt. Oben wurde die vertikale Vergussfuge durch das übergreifende Auflagerbankelement abgedeckt.

Die verlorene Schalung ließ sich sofort abdichten und schützte die Vergussfugen zusätzlich gegen das Erdreich. Aufgrund der weitgehenden Punktsymmetrie der Widerlager konnte die Zahl der Elemente auf vier Haupttypen begrenzt werden (Fundamente, Schäfte, Auflagerbänke, Flügel), dazu kommt die verlorene Schalung für die Einspannbewehrung, Die Vereinheitlichung der Flügelelemente war möglich, weil auf deren Abtreppung an den Flügelenden verzichtet wurde, was auch die Bauausführung vereinfachte.

Bei der Wahl der Elementgröße musste ein Kompromiss gefunden werden zwischen dem Wunsch, mit möglichst wenigen Elementen einen raschen Montagefortschritt zu ermöglichen und den für den Straßentransport möglichen Gewichten und Abmessungen. Die Vergussfuge zwischen den Fertigteilen ist 2 cm dick. Um eine gezielte und sichere Entlüftung der Fugen zu erreichen, wurden in der Unterseite der Fertigteile Vertiefungen eingearbeitet mit Entlüftungsröhrchen an den Hochpunkten. Sollten dort Lufteinschlüsse auftreten, wären sie auf kleine, weniger beanspruchte Zonen im Inneren der Vergussfuge begrenzt. Die Einschnürung der Vergussfugen durch die Abfassung und die Dichttschnur wurde beim Nachweis der Druckspannungen berücksichtigt.

Die vertikalen, 2 cm breiten Fugen zwischen den Flügelelementen und dem Widerlager wurden auf der Erdseite mit einem außen liegenden Klemmfugenband abgedichtet. Diese hochwertige Art der Fugenausbildung ist deshalb wichtig, da sich zwischen Widerlager und Flügel aufgrund des Steifigkeitssprungs Verschiebungen an den Fugenrändern einstellen können, die sicher aufgenommen werden müssen. Eine Undichtigkeit könnte zu Bodenausspülungen und Sackungen im Gleisbereich führen. Die Fugenkonstruktion wurde in Nischen versenkt, damit die Filtersteine ohne Versatz vorbeigeführt werden können. Die Luftseiten wurden durch ein Kompressionsfugenband verschlossen.

Fertigteile gelangen in zwei nächtlichen Sondertransporten zur Baustelle

Mit der Ausführung des lngenieurbaus wurde nach einer bahninternen Vergabe die DB Netz Regionale Instandsetzung Ost mit Sitzin Prenzlau beauftragt. Die Herstellung der Fertigteile wurde an Firma Kleihues in Emsbüren vergeben. Einige der Widerlagerfertigteile überschritten mit bis zu 3,6 m Breite die zulässigen Transportmaße und wurden daher in zwei nächtlichen Sondertransporten zur Baustelle befördert. Für das Aus- bzw. Längsschwenken des Überbaus mit einem Gewicht von 68 t und einer maximalen Ausladung von 44 m, kam ein Gittermastkran zum Einsatz. Hiermit ließ sich auch das schwerste Fertigteil mit 47 t Gewicht und 52 m in Ausladung problemlos montieren. Die Widerlagerelemente mussten mit geringen Toleranzen versetzt werden, da die Lagersockel und Kammerwände Zwangspunkte für die Montage des Überbaus darstellen. Die Vergussfugen wurden zunächst mit einer umlaufend aufgeklebten PUR-Dichtschnur eingefasst, die Betonflächen genässt und dann die Fertigteile auf Abstandhalter aus Stahlblech abgesetzt. Die Dichtschnur wurde dabei so stark komprimiert, dass sie auch an der losen Oberseite dicht anschließt und dem Druck des Vergussmörtels standhält. Der Verguss erfolgte von oben durch mehrere Füllöffnungen. Beim Einfüllen des Mörtels in den Trichter wurde besonders darauf geachtet, dass keine Luft eingeschlossen wird. Die Dichtschnur verblieb daher im Bauwerk und wurde mit Zementmörtel sauber verspachtelt. Als Abdichtung der erdberührten Flächen kam eine kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtung (KME) zur Anwendung. Die Montagefugen wurden vorher mit einer passenden Bitumenmasse bündig verspachtelt.

Um die Baumaßnahme effizient umzusetzen, wurde vor der Bauausführung eine Bauablaufplanung erstellt. Die Montage eines Widerlagerfertigteiles dauerte vom Anschlagen bis zum vollendeten Fugenverguss durchschnittlich drei Stunden. Die Montage aller Fertigteile war bei einem Zwei-Schichtsystem nach nur vier Arbeitstagen abgeschlossen, so dass bis zur Einlagerung des Überbaus genügend Zeit für die Abdichtung und Hinterfüllung zur Verfügung stand.

Fertigteilbauweise ermöglicht ansprechende Gestaltung der Unterbauten

Dieses Beispiel zeigt, wie bei der Fertigteilbauweise mit geringem Aufwand eine ansprechende Gestaltung der Unterbauten möglich ist. Anders als bei monolithischen Kastenwiderlagern gliedert sich hier der Bau körper statisch-konstruktiv gesehen in die beiden Hauptbauteile Widerlagerwand und Flügel. Die Flügel wurden gegenüber dem Widerlager zurückgesetzt und erhielten auf der Luftseite einen Anzug. Dadurch wird eine im Laufe der Jahrzehnte nicht ganz auszuschließende leichte Verkippung der Flügel gegenüber dem Widerlager nicht sichtbar. Unterstützt wird die Gliederung durch die unterschiedlichen Schalungsarten, nämlich glatte Schalung ohne Holzstruktur für die Widerlager und sägeraue vertikale Brettschalung für die Flügel. Die Sichtflächen werden durch die Montagefugen dezent strukturiert, woran man bei der Festlegung der Fertigteilgrößen denken sollte. Nicht zuletzt wird der Eindruck des Bauwerks von der hohen Qualität der Sichtbetonoberflächen bestimmt, wie sie bei Ortbetonbauwerken nur schwer erreichbar sein dürfte.